26 September 2007

Ruhrnachrichten, Kritik von Prof. Werner Kämmerling

Lieder ohne Worte – ein Wagnis ?
Amir Katz löste diese Aufgabe mir Bravour.

Pianisten sind erfinderisch. Sie versuchen, Literaturlücken zu schließen. Das erlebte man in der Klaviermusik des 17. bis zum 21. Jahrhundert. Dabei ist es immer riskant, sich auf einen Komponisten und nur einer Gattung zu konzentrieren.

Im Hause Maiwald erlebte man am letzten Sonntag solch ein Wagnis. Es standen sämtliche Lieder ohne Worte (immerhin 48) von Felix Mendelssohn-Bartholdy auf dem Programm.

Wenn ein Pianist einen Beethoven Sonatenzyklus interpretiert, so steht ihm immerhin von op2 bis op111 eine stilistische Bandbreite von gut 120 Jahren zur Verfügung. Aber bei Mendelssohn-Bartholdy sind diese bürgerlichen Konventionen entstehungszeitlich und stilistisch auf 15 Jahre (1830-1845) eingeschränkt. Eine eklatant fortschreitende Kompositionsentwicklung von op19 bis op102 ist hier nicht zu konstatieren.

Ist es also gefährlich, wenn man in dieser Enge ein Klavierprogramm anbietet? Dieser Klaviermarathon ist auf jeden Fall für den Interpreten, möglicherweise aber auch für das Publikum, eine starke Herausforderung.

Nicht jedoch, wenn ein Könner von Format eines Amir Katz diese Aufgabe löst.

Bei ihm werden den Linien Glanz verliehen, die Charakterisierung der einzelnen Stücke zutreffend nachgezeichnet. Die Klangkultur steht im Vordergrund, dabei ist dem Pianisten der wunderbar ausgeglichene Steinway Konzertflügel, den die Fa. Maiwald zur Verfügung stellte, in allen Bereichen entgegen gekommen: ausgeglichener Diskant, warme Bässe, sonore Baritonlage. Die korrespondierenden Stimmen im Duetto op38,6 (über reichhaltigem Begleitgewirr) kann man sich kaum plastischer vorstellen. Wie überhaupt die Hierarchie in den Stimmenverläufen ein besonderes Anliegen des Pianisten zu sein scheint.

Dass in den Agitato/Prestosätzen ( Prestoop67,41) eine virtuose Sicherheit und Klarheit, bei weitgehendem Verzicht auf überflüssiges Pedal, festzustellen war, erscheint bei einem Pianisten dieser Kategorie eine Selbstverständlichkeit zu sein. Das Publikum zeigte sich für dieses Wagnis dankbar. Leider hört man diese Werke normalerweise nur in kleinen Gruppen in Recitals oder als Zugaben.

Ein Vergleich drängt sich auf:
Bachs wohltemperiertes Klavier wird auch gelegentlich geschlossen aufgeführt.
Jeder dieser beiden Teile umfasstauch 48 Einzelwerke. Zufall ?

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