29 Oktober 2009

Piano news, Rheinische post, Kritik von Martin Schlupp

Solingen: Pianist Amir Katz kam herrlich unprätentiös daher

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Solingen (RP) Die eigene Inszenierung scheint Amir Katz fremd zu sein. Der 1973 in Israel geborene Pianist wirkte beim 2. Museumskonzert der Saison nicht durch Pose, sondern durch ein aufrichtiges Ausleuchten der Musik. Das galt besonders für die 18 „Lieder ohne Worte“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, dem Katz besonders viel Zeit schenkte. Alle Lieder ohne Worte sind höchst unterschiedlich. Eines jedoch eint sie: das kantable Element, eine meist schlichte Melodie. Man erinnere sich etwa an das bekannte Allegro leggiero aus Opus 67. So wie Katz dieses Lied spielte, war es nicht romantisch überladen, sondern konzentriert auf den Melodiefluss, ohne flüchtig zu wirken. Über das Staccato der stark akzentuierten Sechzehntelbewegungen legte er mit großer Leichtigkeit das jubilierende Thema. Ganz einfach, ganz sauber, ganz elegant. Dabei schlug der Pianist im letzten Drittel mitunter ein überraschend zügiges Tempo an, ohne der Melodie, der Rhythmik und Stimmung des Liedes zu schaden. Im Gegenteil: Diese gewisse Rastlosigkeit Katz‘ unterstrich, wie wenig pathetisch man auch den Romantiker Mendelssohn Bartholdy verstehen kann. Mit einer besonderen Verve versah Amir Katz auch die Interpretation des fünften und sechsten Liedes aus Opus 38 von Mendelssohn Bartholdy. Er brachte den Liedern eine Eigendynamik bei, einen natürlich wirkenden Drang, der dieses Stück unglaublich einnehmend werden ließ. Und wer dem unpathetischen Vortrag Katz‘ vorwerfen wollte, er besäße kein Feingefühl, dem hatte er selbst mit dem Andante sostenuto aus Opus 19, auch bekannt als „Venetianisches Gondellied“, widersprochen. Mit äußerster Weichheit formte Katz eine Tristesse, die nur aufrichtigem Gefühl für das Werk entsprungen sein konnte.

Auch bei seinen Interpretationen von Beethovens Cis-Moll-Sonate Opus 27 Nr. 2 („Mondscheinsonate“) und Schumanns Sonate in g-moll Opus 22 muss ihm das Attribut „hervorragend“ verliehen werden. Frei von hohlem Pathos spielte er das mystische Adagio sostenuto der Mondscheinsonate, im Allegretto und Presto agitato variierte er mit Leichtigkeit Tempi und Lautstärke. Und schließlich arbeitete er sich mühelos durch die unglaubliche tonale Dichte des ersten Satzes der G-Moll-Sonate Schumanns mit seiner Dramatik, die sich vom ersten bis zum letzten Takt dauerhaft entlädt. Die Kraft und Schnelle der Schumann-Sonate war indes nur ein Vorgeschmack auf den Virtuosen Katz, der das Konzert mit einem fulminanten Vortrag der Réminiscences de Don Juan de Mozart Grande Fantaisie pour piano R 228, SW428 von Franz Liszt beendete. Seine unglaubliche interpretative Fähigkeit, Stücke nur sparsam mit Effekten auszustatten und vielmehr der Tiefe ihres Wesens nachzuspüren, war überraschend, überragend und über alle Maßen gelungen. Amir Katz war herrlich – und herrlich unprätentiös.

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