13 November 2007

Westfalenpost, Gevelsberg, Kritik von Christoph Clören

Virtuos veranlagter Romantiker
Amir Katz begeisterte beim Meisterkonzert der Konzertgesellschaft
mit Mozart und Chopin

Gevelsberg. Einer der vielversprechenden Pianisten der jüngeren Generation gestaltete das jüngste Meisterkonzert der Konzertgesellschaft Gevelsberg: Amir Katz, 2003 Gewinner des Schubert-Klavierwettbewerbs in Dortmund, präsentierte einen Abend ausschließlich mit Werken Mozarts und Chopins.

Amir Katz ganz persönliche Mozart-Ausdeutung vermeidet betuliche Rokoko-Verspieltheit und verzärtelte Weichspülromantik der Mozart-Auffassung des 19. Jahrhunderts ebenso wie die unterkühlte, prokoffief-nahe Motorik des späten Friedrich Gulda, der Mozart allzu heftig gegen den Strich zu bürsten versuchte. Stattdessen setzt Amir Katz in der Sonate a-moll KV 310 auf klare Akzentuierung, geradlinige Melodieführung und durchdachte Artikulation. Mit energischem, jedoch nie knallendem rhythmischen Zugriff und makelloser, jedoch unaufdringlicher Technik ließ der israelische Meisterpianist Themen und Motive für sich sprechen und auf natürliche Art und Weise zur Entfaltung kommen.

Der tragische Unterton der Sonate, deren Entstehung vom Tode der Mutter Mozarts in Paris überschattet wurde, fand im kantabel gestalteten Andante nur eine kurze Erholung – die aufwühlenden Akkordpassagen im Mittelteil erinnerten an das drohende Unheil in Gestalt des von den Toten auferstandenen Komturs aus „Don Giovanni”, welcher das Schicksal des Titelhelden besiegelt. Dann folgte das Rondo, das als rastlos getriebenes perpetuum mobile sich in stummer Resignation immer um sich selbst zu drehen schien. Ebenso beklemmend gelang Katz die fahle Atmosphäre des vorangegangenen Rondos in a-moll, dessen lichtere Momente mit differenzierten Klangfarben ausgelotet wurden. Im Adagio h-moll zu Beginn des Abends wurde endgültig und unmittelbar deutlich, wie stark Mozarts Instrumentalmelodien vom Ideal der vokalen Arien aus seinen Opern beeinflusst sind – inklusive dramatischer Spannungsbögen im Mittelteil.

Ein Prüfstein für jeden Virtuosen sind Frederic Chopins zwölf Etüden op. 10. Hier war Amir Katz nach der Pause als virtuos veranlagter Romantiker vollends in seinem Element. Mit müheloser Lockerheit überwand er die halsbrecherischen technischen Hürden: von den Arpeggien in weitgriffigen Dezimen in der Nr. 1 C-Dur und den knifflig- vertrackten, fingerverknotenden, nur mit dem widerspenstig-trägen vierten und fünften Finger zu bewältigenden chromatischen „Hummelflug”-Skalen der a-moll-Etüde über die gesangliche Ausdrucksstudie Nr. 3 mit aufbrausenden, toccatenhaft gesteigerten Doppelgriffen im Mittelteil und dem pianistischen Husarenritt der Nr. 4 in cis-moll bis zu den brillanten Arpeggien der Nr. 8 und zu den rauschenden, wie stürmische Wogen auf und abrollenden Figurationen der „Revolutionsetüde”, deren mit eiserner Rhythmik herausgemeißeltes Hauptthema von Chopins Sehnsucht nach Freiheit für die geliebte polnische Heimat kündete. Dabei verlor Katz nie den Blick für weitgespannte melodische Atembögen und dynamische Spannungskurven.

Gleich drei Chopin-Zugaben spendierte Amir Katz dem Publikum in Gevelsberg: zwei mit nobler Grandezza und spritzigem Temperament hingezauberte Walzer sowie die stürmische „Oktaven-Etüde” aus Opus 25, deren auf- und abbrausenden Oktavpassagen mit stählerner Präzision gemeistert wurden – ein Vollblutvirtuose wie er im Buche steht!

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