13 Oktober 2008

Westfälischen Rundschau Unna, Kritik von Martina Lode-Gerke

Klavierkonzert mit Suchtgefahr: Amir Katz begeistert
Unna. Wer den Pianisten Amir Katz bereits gehört hat, weiß, dass bei seinem Spiel Suchtgefahr nach demselben besteht.

Mittlerweile ist es fünf Jahre her, dass er in Dortmund den ersten Preis beim Schubert-Wettbewerb gewann – mit seinem teilweise schalkhaften, teilweise berauschenden Spiel hatte er damals beim Finale und beim Abschlusskonzert im Konzerthaus die Zuschauer in seinen Bann gezogen.

Mittlerweile wirkt er gereifter, die ohnehin fulminante Technik noch selbstverständlicher verfügbar, souveräner. Und das alles ohne, dass der Spielwitz und die Brillanz eine Einbuße erlitten hätten.

Das fanden auch die Zuschauer am Sonntag in der Stadthalle, wo der in Israel geborene Pianist auf Einladung des Musikvereins gastierte. Natürlich auch mit einem Werk Schuberts, der so genannten „Wandererfantasie“: Kraftvoll legt der Pianist den ersten Teil an, verzichtet hier hin und wieder – ebenso wie in dem einen oder anderen „Lied ohne Worte“ von Mendelssohn – auf den reinen Schönklang und räumt der Leidenschaft den Vorrang ein. Hinzu kommen eine technische Präzision, die nicht nur an ein Schweizer Uhrwerk erinnert, sondern auch ihresgleichen sucht, sowie ein ungemeines Einfühlungsvermögen, das es ihm bei den „Liedern ohne Worte“ erlaubt, jedem einzelnen einen ganz eigenen, treffenden Charakter zu verleihen. Wie auch in der Schubert-Fantasie bekommt der Hörer das Gefühl, dass jede Passage genau so und nicht anders klingen muss und kann.

Dass der Schalk dem jungen Pianisten immer noch im Nacken sitzt, zeigt sich auch in Beethovens „Waldstein-Sonate“: Beinah zärtliche Passagen wechseln sich im dritten Satz mit frechen, geradezu ungestümen ab – ohne, dass der Interpret auch nur den Versuch unternimmt, diese Unterschiede zu kaschieren. Sein Spiel ist kontrastreich und deshalb in keinem Moment langweilig. Und: Niemals wirkt irgendeine Passage ob ihrer Differenz zu einer anderen unlogisch. Ein herrlicher, wunderbarer Abend. Das zweite Meisterkonzert ist am 23. November der Abschluss des Celloherbsts.

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