3 September 2010

WAZ, Kritik von Tom Thelen

Amir Katz ist ein Marathon-Mann

Im Museum: Pianist spielte alle 21 Nocturnes von Frederic Chopin

Amir Katz ist ein Marathon – Mann. Im mit fast 200 Zuhörern restlos ausverkauften Foyer des Museums spielte der Pianist alle 21 Nocturnes von Frederic Chopin. Anlass dieses Konzerts aus der Thürmer-Reihe war der 200. Geburtstag des Komponisten. Katz hatte schon im letzten Jahr Sinn für Ausdauer gezeigt, als von ihm eine Doppel-CD mit den „Liedern ohne Worte“ von Felix Mendelssohn – Bartholdy erschien.

Auf dem Programm dises Abends standen jene 19 Nocturnes, die Chopin zu Lebzeiten autorisiert hatte, die anderen beiden posthum publizierten sparte sich der 1973 in Israel geborene Musiker für die Zugaben auf. Katz Spielt Chopin so, dass ein André Gide zufrieden mit ihm gewesen wäre. Der hat in seinen „Aufzeichnungen zu Chopin“ das Virtuosentum im Umgang mit dem Komponisten mit starken Worten attackiert, der Virtuose sei dumm und eingebildet. Er verkenne Chopin in vielerlei Hinsicht, denn: „Chopin deutet an, vermutet, schmeichelt, verführt, überredet; fast niemals behauptet er.“ Und diesem Ideal entspricht das Spiel des jungen Klassik-stars an diesem Abend. Er meistert technisch perfekt die Klippen jener ersten Komposition in b-Moll, die einen guten von einem sehr guten Klavierspieler unterscheidet. Atemlos und still lauschen die Zuhörer seinem Spiel im Saal, der diesmal zum Titel passend in Dunkelheit getaucht war. Aus der Beschäftigung mit Bach und Belcanto kristallisierte der Komponist diese Nocturnes. Eine meisterhafte Fortführung und Ausformung einer bis dahin als unwichtig verstandenen Gattung.

In weniger verständiger Ausführung geraten diese Klavierstücke gelegentlich zu kitschig, hier griffe dann das Wort von Camille Bourniquel, dass die Nocturnes verantwortlich seien für das „einzigartige Handicap eines tränen seligen Nachruhms.“ Doch Amir Katz stellt weniger das melancholisch Perlende in den Vordergrund als viel mehr jenen meditativen, dunkleren und nächtlichen Gehalt dieser reinen Musik. Großer Applaus dankte im Museum einem Pianisten, von dem in Zukunft noch zu hören sein wird.

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