1 Juni 2009

Klassik Magazine Crescendo, Kritik von Richard Eckstein

Maskulin und unsentimental

Er scheint Mendelssohn nicht von Mozart, sondern von Schubert – seiner ureigenen Domäne – her zu denken. Wie bei seinen meisterhaften Interpretationen des letzten Wiener Klassikers lädt der israelische Pianist Amir Katz nun Felix Mendelssohns vermeintlich schlichte romantische Klavierweisen mit einem gerüttelt Maß an Dramatik auf, ohne jemals in die Gefahr der Übertreibung zu geraten.

Sein interpretatorischer Zugriff ist bei aller Klarheit und Feinzeichnung ein ausgesprochen maskuliner, unsentimentaler. Den „Liedern ohne Worte“, die im 19. Jahrhundert der zumeist von Frauen dominierten Hausmusik dienten, tut dies überaus gut. Dass der bekennende Callas-Fan Katz die generelle Kantabilität der Mendelssohn-Miniaturen nie aus den Augen verliert, versteht sich zwar fast von selbst, nötigt dennoch Bewunderung ab. Katz’ Gesamteinspielung, die auf einem frisch klingenden Steinway neueren Baujahrs entstanden ist, stellt einen der künstlerisch bedeutendsten Beiträge zu Mendelssohns 200. Geburtstag dar.

<< back