8 Juli 2013

AZ München, Kritik von Robert Braunmüller

„… Amir Katz war mehr als ein Begleiter: Er beschönigt den Schmerz nicht auf Kosten der Schönheit, ohne Schubert gleich in einen Früh-Expressionisten zu verwandeln.“

„Das Wandern ist des Müllers Last, das Wandern.“ Last? Die Münchner Opernfestspiele haben einen Star des Genres zu einem Liederabend in das ausverkaufte Prinzregententheater entsendet. Der slowakische Tenor Pavol Breslik steht vor dem Flügel und hetzt durch das erste Stück des Liederzyklus „Die schöne Müllerin“ von Franz Schubert. „Mäßig geschwind“ ist das Eröffnungslied vom Komponisten überschrieben. In halsbrecherischem Tempo marschieren Breslik und sein Klavierbegleiter Amir Katz durch das Lied. Wer wen dabei antreibt, bleibt zunächst unklar. Das eigentlich lustvoll-neugierige Wandern gerät so zur düsteren Vorahnung, zur fast zwanghaften Getriebenheit, das Wasser zur süß-gefährlichen Bedrohung. Katz liefert, wie auch den ganzen Zyklus über, unglaubliche Spielpräzision und ist mehr als „nur“ Bodenbereiter. Er ist Partner und Mitspieler, zumal es sich bei diesem Auftakt um eine zumindest mutige Interpretation, wenn nicht sogar um ein gewagtes Spiel handelt.

Bresliks Stern strahlt vornehmlich auf Opernbühnen und dort ausgesprochen hell, während er sich dem Kunstlied selten zuwendet. Authentizität ist weniger eine Genrefrage als vielmehr ein Prinzip, jedenfalls im Gesang von Breslik . Und so importiert er Belcanto im reinsten Sinne in das Kunstlied. Herrliches Timbre, glockenreine Höhen, weitsichtige dynamische Gestaltung mit energiestrotzender Impulsivität zeigen den Wanderer vor der Affektwende obsessiv kraftvoll, danach, mit Auftreten des Jägers nicht weinerlich-sentimental, sondern heldenhaft, viril und dennoch urmenschlich. Breslik und Katz heben so bei Schubertliedern verborgene Schätze. Der Mut wird belohnt, das Spiel ist gewonnen und das Publikum begeistert.

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