14 Oktober 2008

Hellweger Anzeiger Unna, Kritik von Rainer Ehmanns

„Man muss es mit Liebe machen“
Amir Katz spielt anspruchsvolles erstes Meisterkonzert in der Stadthalle

Unna. „Wir haben Ihnen zu danken“, begrüßte Bettina Großebüter das Publikum zur neuen Saison der Meisterkonzerte des Musikvereins. „Sie haben die Zahl der Abonnenten fast um ein Fünftel vermehrt. Bringen Sie auch weiterhin Ihre guten Freunde und Bekannten mit und genießen Sie den Abend!“

Fast überflüssig zu wünschen, denn Amir Katz hatte am Sonntagabend ein klug zusammengestelltes Programm in die Stadthalle mitgebracht, das mit zwölf Liedern ohne Worte, op. 38 und op. 53, von Mendelssohn Bartholdy begann. In ihnen vereint er Liedhaftes, Charaktervolles wie Genrehaftes zu sorgfältigen Zyklen mit anspruchsvoller Gestaltung.

Der fühlt sich Katz verpflichtet, denn er vermeidet jede Nuance oder Geste, die schnell ins Kitschige abglitte – im Gegenteil: Unprätentiöse Schlüsse, ein elegantes Spiel mit subtilen Akzenten, unaufdringliche Arpeggi und schön geführte Linien der linken Hand, besonders in op. 38.6, bis hin zu verstörenden Halbtontrillern in op. 53.6 belegen, dass Katz der romantischen Lyrik aufregende Zwischentöne verleihen kann.

Beethovens „Waldstein-Sonate“ passt besser als die ursprünglich vorgesehene „Pathétique“. Denn sie macht hörbar, welch romantisches Potenzial nicht nur in der gewaltig ausgedehnten Durchführung des ersten Satzes steckt, dessen drohende Gewitterstimmung vor der Reprise die Zuhörer ebenso bannt wie die unendliche Spannung des Adagios mit seinen fahlen Anfangsintervallen, bevor das zunächst weit entrückte Rondothema mehr und mehr präsent wird und Beethoven in der weiteren Verarbeitung auch mit Motiven des ersten Satzes das Werk rundet.

Die zweite Gruppe von zwölf Liedern, op. 62 und 67, unterscheidet sich deutlich von der im ersten Teil gehörten: Charakterstücke allesamt, dramatischer angelegt – und Katz verleiht ihnen Leben, mal durch eine bewegte Begleitung (62.5), mal über vibrierende Unruhe (67.4) bis hin zum duftig getupften Walzer (67.6).

Wäre da nicht die „Wandererfantasie“ von Schubert, die den kompositorischen Bogen des Abends schließt. Ohne virtuose Attitüden, aber umso brillanter erspielt Katz Zusammenhänge, die im Nachhinein die musikalische „Verwandtschaft“ der drei Komponisten geradezu plastisch werden lässt. Gefragt, wie er technisch – und physisch – ein solch anspruchsvolles Programm bewältigen könne, sagt Amir Katz: „Man muss es mit Liebe machen.“ Das hat das atemlos lauschende Publikum gespürt.

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